7. Februar 2018

Raglanpullover selbst berechnen

Hallo ihr Lieben!

In der Theorie stricke ich ja am liebsten stumpf nach Anleitung. Irgendwie fehlt mir das räumliche Vorstellungsvermögen für eigene Entwicklungen, und, ganz ehrlich, auch die Motivation. Stricken ist für mich hauptsächlich Entspannung und Entschleunigung, da brauch ich keine zusätzliche Anspannung in Form von Angst, alles wieder aufmachen zu müssen oder auf Grund von Rechenfehlern völligen Humbug zu produzieren. 

Wie gesagt, Theorie. In echt passieren dann aber immer wieder andere Dinge, die dazu führen, dass ich mich doch mit dem Taschenrechner hinsetze. In diesem speziellen Fall zum Beispiel Garn, das übrig war. Diesen Mohair-Lace Pullover habe ich, nachdem er lange im Schrank lag und nicht ein einziges Mal getragen wurde, aufgeribbelt. Bei meiner Mama ist es genauso gewesen, auch von ihrem neuen Stück aus dem geribbelten Garn habe ich noch Bilder auf der Festplatte, bleibt gespannt! Das Ribbeln ging tatsächlich ziemlich gut! Nochmal wollte ich das Garn aber nicht einzeln verstricken, weshalb ich mir zusätzlich ein schönes Waldgrün ("Loden") aus der Farbpalette von Schachenmayr Regia ausgesucht habe. Ein wenig habe ich dann mit Lauflänge und Nadelstärke rumgedacht, später rumprobiert, bist feststand: Schmale Streifen sollen es werden. Und schon war ich an dem Punkt mit dem Taschenrechner und dem Papier angekommen. Und weil es eigentlich gar nicht so schwer ist, dachte ich, schreibe ich euch mal auf, wie ich vorgegangen bin.


Ich habe mir zunächst einen gut sitzenden Pullover aus dem Schrank gesucht (hier ist es am einfachsten, wenn dieser auch ein Raglanmodell ist, muss aber nicht zwingend ein Strickpulli sein) und einige Maße genommen: Armlänge (a) und Körperlänge (b) jeweils ab der Achsel, Weite des Halsausschnittes (c), Breite von Ärmel auf Achselhöhe (d) sowie am Bündchen (e) und Körperbreite (f). Zusätzlich noch die Länge der Raglanschräge (g). Und dann habe ich gerechnet, wie ich vorgehen muss. Ich wollte von oben anfangen, also habe ich das Maß des Halsausschnittes mit meiner Maschenprobe verrechnet, simpler Dreisatz reicht da aus um zu wissen, wie viele Maschen ich anschlagen muss um den gewünschten Halsausschnitt zu erreichen.




Der Raglan-Teil ist dann schon etwas komplizierter. Zunächst muss man sich ausrechnen, von wie vielen Maschen man auf wie viele erweitern möchte. Im Endeffekt ja von (c) auf (d)+(f), so grob gesagt. Dies dann wieder in Maschen ausrechnen und schon weiß man, wie viele Maschen zugenommen werden müssen. Die Zahl sollte durch acht teilbar sein, wenn man an jeder Raglanschräge zwei Maschen zunehmen möchte, also eventuell noch etwas korrigieren. Über das Maß der Raglanschräge (g) kann man außerdem berechnen, über wie viele Reihen die Zunahmen erfolgen. Bei mir passte es, dass ich in jeder zweiten Reihe 8 Maschen zugenommen habe und am Ende da ankam, wo ich hinwollte.


Die Aufteilung der Maschen in Vorder-, Rückenteil und Ärmel ist auch noch ein wenig Herumprobiererei, man muss auch hier etwas rechnen. Die Maschenanzahl, die man für (d) braucht minus der Zunahmen, dann ist man bei einem Ärmelteil. Vorder- und Rückenteil lassen sich ebenso berechnen, ich habe beide gleich gemacht. Puh, ich glaube, niemand versteht, was ich hier schreibe. Aber den komplizierten Teil haben wir schon überstanden! Schließlich wird nun der Raglan wie errechnet gestrickt, dann die Ärmelmaschen stillgelegt und weiter der Körper in Runden gestrickt für die gewünschte Länge. Ich habe keine Taillierung eingebaut, da der Pullover locker sitzen sollte. Dafür habe ich Fake-Seitennähte gebastelt, indem ich eine linke Masche eingestrickt habe an den Seiten. Das sorgt für ein wenig mehr Form und sieht auch gut aus, auch wenn es sich auf dem Bild unten nur erahnen lässt, in echt ist es etwas deutlicher. Nach dem Saumbündchen habe ich mich den Ärmeln zugewandt.


Auch hier müssen natürlich die Abnahmen berechnet werden. Ich wusste ja, wie viele Maschen ich zu Beginn habe (d) und wo ich hinwill (e). Also auch hier ein wenig Dreisatz, und schon weiß man, wie viele Abnahmen es geben soll. Dies mit der Armlänge (a) kombinieren und dann ist ebenfalls klar, in welchem Rhythmus abgenommen wird. Bei mir kam es auf jede 8. Runde heraus. Tada! Das war es auch schon, und der Pullover ist für all dieses Gerechne ziemlich perfekt geworden, genauso, wie ich ihn mir vorgestellt habe!


Im Nacken habe ich noch Short Rows eingebaut, eigentlich sollte das ein bisschen anders sein, da habe ich mich wohl verschätzt. Zum Glück sieht es nicht ganz so schrecklich aus wie ich am Anfang dachte, da war das echt eine Art Welle nach oben. Beim nächsten Mal würde ich die Wendepunkte eher ganz kurz vor die Ärmel setzen, um den Nacken etwas höher zu formen als den vorderen Halsausschnitt. Aber das Experiment war es wert.


Ein wenig rumgerechnet habe ich auch für die Aufteilung der Streifen. Ich wollte auf jeden Fall, dass die Streifen von Sockengarn+Mohair größer sind als die nur mit Sockengarn. Allerdings sollte es an den Achseln im besten Fall kein Mohair geben, um das durch Reibung entstehende Filzen etwas zu bändigen. Letztlich bin ich bei einer 5/7 Aufteilung gelandet. 
Noch ein bisschen was zu meinem Pullover, nachdem es hier ja eher allgemein um einen Raglan-Pullover ging: Ich habe das Sockengarn zweifädig verstrickt in den schmalen Streifen, die breiten bestehen aus einmal Sockengarn und zweimal Mohair. Das Mohair war nämlich doppelt verstrickt im Ursprungspullover und obwohl das Aufribbeln super gut zu händeln war: Die beiden Fäden hätte ich nie im Leben auseinander bekommen. Verstrickt habe ich mit Nadelstärke 4mm, es sollte nicht zu locker werden, um ebenfalls dem Filzen und Pilling ein wenig vorzubeugen. Die Ärmel habe ich dann frech auf dem 3,5er Sockenwunder gestrickt, da es dieses noch nicht größer gibt und ich mich weigere, Ärmel auf dem Nadelspiel zu stricken. Unvorstellbar, nachdem ich das Sockenwunder dafür kenne. Ich finde, den Unterschied in der Nadelstärke sieht man nicht.



Tatsächlich habe ich an dem guten Stück nur etwa einen Monat gestrickt, was mich gerade selbst erstaunt. Das liegt vermutlich daran, dass es (für meine Verhältnisse) echt dicke Nadeln sind.


Ich hoffe, mit meiner Beschreibung konnte ich irgendjemanden ermutigen, es auch mal mit eigener Berechnung zu versuchen. Vielleicht habe ich aber auch jemanden vergrault, keine Ahnung. In meinem Kopf klingt das alles total logisch, aber das heißt ja nicht, dass es für andere genauso läuft. Falls ihr also Fragen habt, schreibt mir gerne einen Kommentar oder eine Mail!

Den Beitrag verlinke ich beim MeMade Mittwoch zu all den anderen toll gekleideten Frauen. Außerdem findet ihr das Projekt auch bei Ravelry.




18 Kommentare:

  1. Ich finde deinen Pulli richtig, richtig schön :) mein allererstes gestricktes Kleidungsstück war ein selbstberechneter Raglan-Babypulli aus Sockenwolle, der war ... experimentell.
    Weißt du noch wie deine Maschenprobe war und wie viel Garn du ungefähr verbraucht hast?
    LG!

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    1. Ich glaube, vor einem Jahr hätte ich mich an sowas auch noch nicht gewagt :D
      Meine Maschenprobe liegt bei 22Mx28R auf 10x10cm. Von dem Sockengarn habe ich etwas über 300g verbraucht, das Mohair, keine Ahnung. Könnte den gesamten Pulli wiegen, wenn du magst?
      Liebe Grüße

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    2. Vielen Dank, die MP hilft mir schon weiter :) Viele tolle englische Strickmuster sind ja immer aus "DK"-Garnen, wofür ich noch keine gute Garnalternative gefunden habe, die ich vor Ort in vielen Farben bekomme ohne bei einer Pullovermenge arm zu werden. Aber Sockenwolle doppelt wäre eine Idee ;)
      Aber erstmal müssen eh die UFOs und alles wofür schon Garn vorhanden ist fertiggestellt werden :)
      LG :)

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    3. Ich glaub doppelt Sockenwolle (oder anderes Garn in der Stärke) gibt immer etwa DK; habe ich mal irgendwo gelesen. Total gut zu wissen, finde ich :)
      Viel Spaß beim Stricken!

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  2. Dein Pulli ist sehr schön geworden. Das Streifenmuster gefällt mir richtig gut. Ragland von oben habe ich noch nicht ohne Anleitung probiert. Irgendwie traue ich mich da nicht ran. Dein Versuch ist dir aber perfekt gelungen. Liebe Grüße Andrea

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    1. Liebe Andrea,
      wenn man erstmal ein paar nach Anleitung gestrickt hat, ist es gar nicht so schwer, finde ich. Dann kennt man ja in etwa den Ablauf und braucht nur noch die richtigen Zahlen. Der Vorteil ist ja auch, dass man zwischendurch anprobieren kann ;)
      Wenn du noch Hilfe brauchst, melde dich ruhig.
      Liebe Grüße

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  3. der ist wunderschön!
    und da ich nicht stricken kann, hast du mich auch nicht abgeschreckt oder verwirrt, sondern eher zu einem "wow" gebracht!

    LG
    sjoe

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    1. Hey Sjoe,
      na das ist doch auch mal gut. Ich hätte ja gedacht, gerade die nicht-Stricker sind von den fremden Worten völlig verwirrt :D

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  4. Sehr gelungen :-) Und es ist wirklich nicht so schwer, hab das auch schon gemacht und man ist viiiiieeell stolzer auf solch einen selbst errechneten Pulli, als auf einen nach Anleitung - finde ich :-)

    Viel Spaß mit dem Neuen, steht Dir sehr gut :-)

    Liebe Grüße, Brigitte

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    1. Liebe Brigitte,
      ich bin definitiv viel stolzer als auf so einen schnöden Pulli nach Anleitung ;)

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  5. Toll! Da muss ich mich mal mit durchrechnen. Ich hab immer den RVO-Rechner benutzt, kennst Du den? http://www.raglanvonoben.de/rechner.html
    Liebe Grüsse,
    Martina

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    1. Liebe Martina,
      die Seite hatte ich auch schon mal offen als ich angefangen habe, aber irgendwie kam ich damit nicht zurecht. Ich wusste nicht, ob durch das Messen des Halsumfangs nachher ein Ausschnitt dabei herumkommt, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Aber bestimmt ein hilfreiches Tool!
      Liebe Grüße

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  6. Die Farben stehen Dir wieder ganz toll!
    Ich hab mir auch schon Raglan-Strickjacken selbst berechnet und gestrickt. Ist aber noch verbesserungswürdig. Und nach dem ich mehrere Teile gestrickt habe, bei denen mit verkürzten Reihen gearbeitet wird, festgestellt, dass die viel besser sitzen.
    Weil Du so vom Sockenwunder geschwärmt hast, habe ich es nun auch schon zweimal ausprobiert und bin Deiner Meinung - nie wieder Ärmel mit dem Nadelspiel stricken. Mit dem Sockenwunder wird das Gestrick viel gleichmäßiger und ich stricke viel schneller.
    Liebe Grüße, Juliane

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    1. Liebe Juliane,
      dankeschön, ich mag grün auch wirklich sehr gerne :)
      Verbessern kann man sich immer, glaube ich. Wäre ja auch öde, wenn es plötzlich perfekt wäre, was soll man dann noch machen? ;)
      Ich freue mich sehr, dass du nun auch begeistert bist vom Sockenwunder. Für mich ist das ja andauernd eine Arbeitserleichterung hoch zehn. Und besser aussehen tut es auch!

      Liebe Grüße

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  7. Sowas schwebt mir auch vor... aber gerade fehlt mir die Zeit....
    Herzlichst
    yase

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  8. Ist dir supergut gelungen, alle Achtung; ein sehr hübsches Stück.
    LG von Susanne

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  9. Liebe Güte der ist ja großartig!!! Leider bin ich im rechnen die ober null, bekomme schon bei dem Wort dreisatz echte Zustände... aber dein Beitrag macht echt lust auf so ein Projekt!!! Lg Sarah

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  10. Schade, jetzt habe ich so viel geschrieben und auf Vorschau geklickt, dann leider nur eine Fehlermeldung erhalten, dass die gesicherte Verbindung fehlgeschlagen ist, nun ist mein Text weg. Hatte ein paar Tips für Dich, aber alles nochmal schreiben, nein, sorry. Daher jetzt die Kurzform.

    Dein Pulli ist jedenfalls toll geworden.

    Nur soviel: Zunahmen bisher bei meinen gestrickten RVOs immer alle 2 R 8 M. Liegt wohl am Verhältnis M zu R, was ja irgendwie immer gleich ist, egal wie dick Wolle oder Nadeln sind.

    Statt hinten mehr R zu stricken, lieber die ersten R offen stricken mit weniger M und dann alle 2 R M zunehmen vorne, bis der Halsausschnitt tief genug ist, dann in Runden weiter stricken oder offen bei einer Jacke.

    RVO geht auch super als Poncho: einfach für den Ausschnitt erforderliche M anschlagen und in Runden stricken, alle 2 R 8 M zunehmen. Dabei können die M-Abstände der Zunahmestellen gleich weit sein, nicht wie beim Pulli, wo die Ärmel weniger M zugeteilt bekommen als Vorder- und Rückenteil.

    LG Uta

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