14. April 2020

Gefütterte Lederjacke aus alten Jacken

Hallo ihr Lieben,

endlich konnte ich mir mal ein wenig Zeit freischaufeln um diesen Blogbeitrag zu verfassen. Im Moment ist bei mir einfach irre viel los, der Umzug naht mit großen Schritten und auf der Baustelle ist noch immer so viel zu tun. Da war in den letzten zwei Wochen neben Arbeiten, Essen und Duschen eigentlich keine Zeit mehr für irgendetwas anderes. Mittlerweile haben wir aber gut vorgearbeitet, sogar die Wohnung ist schon halb leer. Hoffentlich wird es jetzt also ein wenig entspannter. Ich habe schon eine Woche nicht gestrickt, das fühlt sich unglaublich seltsam an und ist mir noch nie passiert. 
Es kann gut sein, dass es auch in den nächsten Tagen ruhig bleibt hier auf dem Blog. Keine Ahnung, wie das mit dem Internet so klappt, ihr kennt das sicherlich. Und wenn wir erstmal drin sind im Haus gibt es ja auch weiterhin viel zu tun ... also wundert euch nicht. 

Soweit zum Prolog, kommen wir mal zur Sache, das interessiert euch ja auch gar nicht so sehr.



Ich habe mir ein Motorrad gekauft! Okay, Spaß beiseite, auf die Idee würde ich nie kommen. Aber es stand so schön passend da, fühlte sich als genau das passende Foto Zubehör an zu meiner Jacke, da musste ich ein schnelles Bild knipsen (lassen). Der Freund hat mich davon abgehalten, auf die Maschine zu steigen. Vermutlich auch besser so, bei meiner Tollpatschigkeit, und ist ja auch einfach fremdes Eigentum.


Da erzähle ich euch was von zur Sache kommen und tue es doch nicht. Verrücktes Huhn ich. Also gut, auf den Bildern seht ihr ein Projekt, das mich seit langem mal wieder so richtig herausgefordert hat. Entstanden ist es beim Probenähen für Lotte & Ludwig, also handelt es sich bei dem Beitrag, den ihr lest, um Werbung, denn ich habe für den Schnitt ja nichts bezahlt. Der Aufruf zum Probenähen kam genau im passenden Moment um die Ecke, denn für zwei Hochzeiten im Sommer (die hoffentlich stattfinden werden...) habe ich mal wieder geplant, mir mein Outfit selbst zu nähen, und für oben drüber wollte ich gerne eine kurze Jeansjacke nähen (Also, am Körper kurz, nicht an den Armen. Das sähe ja ganz furchtbar seltsam aus). Der Schnitt ist im Prinzip ein klassischer Jeansjackenschnitt mit allen bekannten Details: Seitentaschen, Kragen, vielen Absteppungen, Manschetten, Brusttaschen.


Neben der klassischen und ungefütterten Variante gibt es aber auch die Möglichkeit, die Jacke zu füttern, ganz 80er Jahre mäßig mit Teddyfell zum Beispiel. Und natürlich eignen sich neben Jeans auch alle anderen festen Stoffe, zum Beispiel Cord, Canvas, Oilskin oder auch Leder. Ha, Leder! So kommen wir wieder zurück zu meiner speziellen Jacke. Nachdem für mich ja schon feststand, dass ich eine kurze Jacke aus Jeans nähen wollte, habe ich überlegt wie eine gefütterte Variante für mich aussehen könnte. Nochmal Jeans war mir zu öde, mit Cord stehe ich auch ein wenig auf Kriegsfuß. Durch ein anderes Projekt hatte ich vor kurzem über Dinge nachgedacht, die ich aus alten Lederjacken nähen könnte und so hat sich wohl die Verbindung in meinem Gehirn gebildet, zack, ich wollte eine gefütterte Lederjacke. Und weil ich Leder als Material toll finde, aber nichts kaufen möchte wofür ein Tier seine Haut hergeben muss, habe ich mich auf Kleinanzeigen nach gebrauchten Jacken umgeschaut. Denn noch trauriger, dass eine Kuh, ein Lamm oder sonst irgendein Wesen stirbt finde ich ja, wenn das daraus entstandene Produkt auf den Müll landet und nicht genutzt wird. Deshalb kann ich guten Gewissens Leder Second Hand verarbeiten.


Nach einiger Sucherei habe ich zwei Jacken von ein- und derselben Verkäuferin gefunden, die dann auf meine Bitte hin die Lederarten verglichen hat. Sie sagte, dass sie sich recht ähnlich seien, was mir ausreichte. Für zwei Jacken in XL habe ich mit Versand 22€ bezahlt, Teddystoff und Knöpfe kamen neu dazu, weil auf Grund des Probenähens ja die Zeit ein wenig eilte, sonst hätte ich es auch hier Second Hand versucht. Außerdem dachte ich mir zu dem Zeitpunkt schon, dass die Geschäfte bald schließend werden und hatte so ein "jetzt noch schnell"-Gefühl, was sich bestätigt hat.


Bei so komplizierten Projekten und vor allem beim Probenähen macht es immer Sinn, ein Nesselteil zu nähen, also aus günstigem Stoff die Stücke einmal grob zusammenzutackern. Details wie Taschen und Kragen kann man weglassen, auch reicht oft ein Ärmel aus. Das habe ich in diesem Fall gemacht und daraufhin beschlossen, dass eine 42 für mich gefüttert passen sollte. Damit bin ich aber eher auf der knapperen Seite gelandet, gerade über der Brust spannt es schon ein wenig. Ich hoffe, dass das Material sich da noch ein wenig nachgiebig zeigt; aber wenn ihr dicken Außenstoff und Teddyfutter habt nehmt lieber eine Nummer größer, das passt ja auch ganz gut zur Gesamtoptik.


Bisher klingt alles recht geschmeidig, oder? Tja, ich will ja keine Tatsachen hier verschleiern, also mal Butter bei die Fische. Ich habe mit der Futterjacke begonnen; denn durch die kurze Version kannte ich das Schnittmuster schon und konnte das Futter recht flott runterrattern. In der Probenähgruppe hatten viele berichtet, dass es in ihren Nähecken (oder -zimmern) aussehe, als hätten sie einen Teddybären brutal zerstückelt. Daraufhin habe ich direkt nach dem Zuschnitt alle Teile einmal unter der Overlock durchgezogen. Damit ging es wirklich gut und ich habe kaum Fussel entdeckt.


Nach der Futterjacke kam dann der Zuschnitt der Außenjacke, und da habe ich wirklich gekämpft. Zuerst mussten ja die beiden Jacken zerlegt werden. Ich habe das Futter entfernt und dann vorsichtig entlang der Nähte geschnitten. Bei manchen Stoffen lohnt es sich vielleicht, die alten Nähte aufzutrennen; bei Leder sieht man aber die Einstichstellen und kann diese Bereiche sowieso nicht wiederverwenden, also habe ich mir die Mühe gespart. Ich hatte dann je Jacke die Ärmel, Vorderteile, Rückenteile, Passen und Krägen. Und was habe ich gepuzzlet, um daraus alle benötigten Teile für die Jacke herauszuschneiden! Ein paar Details waren mir nämilch wichtig: Ich wollte gerne eine Rückennaht übernehmen und so wenig schiefe Nähte wie möglich einbauen. Am Ärmel habe ich zum Beispiel eine Quernaht, die nicht durch den Schnitt entstanden ist, sondern weil ich die Schnittteile so auflegen musste das eine alte Naht übernommen wurde. Der Saum sollte auch möglichst nicht gestückelt werden müssen, ebenso wie die Manschetten. Es war ein Kampf, hat aber am Ende geklappt.


Auch das Nähen selbst war kein Spaziergang. Ich bete meine alte Pfaff ja für ihre Robustheit an, aber hier sind wir gemeinsam an unsere Grenzen gegangen. Wir haben im Nachtdienst genäht, was das Ganze nochmal erschwert hat, da bin ich nämlich zum einen unmotivierter, zum anderen einfach nicht so konzentriert. Aber tagsüber ging es nach dem Schlafen direkt auf die Baustelle, also musste die Nacht herhalten. Zwei Nächte mit je 5-6 Stunden war ich beschäftigt bis endlich das Futter drin war, zu Hause musste dann nur noch der Saum abgesteppt und die Knöpfe befestigt werden. Aber bis ich an diesem Punkt war, habe ich einiges an Nerven gelassen. Die vielen Lagen Leder haben meine Maschine wirklich heiß laufen lassen und ich bin stolz, dass nur eine Nadel gebrochen ist.


Natürlich kann Leder auch nicht gebügelt werden, damit die Absteppungen schön werden  musste ich also sehr langsam arbeiten und den Stoff immer richtig drücken und ziehen. Auch das war am Ende wirklich anstrengend. Am schwierigsten waren die Stellen, wo ich Nähte der Ursprungsjacken übernommen hatte. Die trafen dann im schlimmsten Fall auf neue Nähte und mussten abgesteppt werden ... ich habe sehr viel am Handrad gedreht bei diesem Projekt. Noch ein Aspekt, der das Nähen für mich weniger erfreulich gemacht hat: Die Jacken hatten einen Eigengeruch. So wie manche Sachen aus Second Hand Läden, die riechen einfach so fremd, die muss ich mehrmals waschen bis ich mich darin wohlfühle. Versteht ihr, was ich meine?


Neben den Seitentaschen, die dann doch einfacher waren als gedacht, habe ich mich bei den Brusttaschen für die Fake-Variante entschieden. Unter den Taschenklappen befindet sich also nichts. Hierzu hatte ich eine lustige Unterhaltung mit einem Kollegen, der sich darüber mokierte. Ich habe dann geäußert, dass man doch sowieso nichts in solche Taschen packt, woraufhin er entgegnete, dass er immer sein Portemonnaie oder Schlüssel dort verstaut. Ich habe mich dann korrigiert, das "Frau" Brusttaschen nicht nutzt, er hat dann eingelenkt, das würde vermutlich komisch aussehen, so einseitig ausgebeult.



All meine Mühen haben sich aber gelohnt, ich bin sehr glücklich mit meiner Jacke und habe sie auch schon ein paar Mal getragen bevor es so plötzlich und übergangslos Sommer wurde. Mittlerweile ist es wieder etwas frischer, vielleicht habe ich also noch ein paar Möglichkeiten die Jacke auszuführen bevor es zu warm dafür wird. Aber dann kann ich ja die andere aus dem Probenähen entstandene hervorholen. 

So, nun die hilfreichen Links für euch zum Schluss: Zur Jacke trage ich komplett selfmade: Da wäre die Jeans und hier das Shirt. Die Draufgängerin gibt es als Ebook und Papierschnitt, viele weitere Beispiele findet ihr auf Instagram unter #draufgängerebook oder in der Facebookgruppe von Lotte und Ludwig. Aktuell läuft noch das Probenähen für die Kinder-Variante, danach wird es noch eine für Herren geben und am Schluss dann sicherlich ein Gesamtpaket der Schnittmuster, falls ihr eure ganze Familie einkleiden wollt. Die Anleitung führt euch da auf jeden Fall sehr detailliert durch, wenn ihr also auf der Suche nach einer kleinen Herausforderung seid: Los geht's!


Happy sewing, 

Julia

10 Kommentare:

  1. Einfach nur Wow! Deine Lederjacke sieht super aus! Die ganze Arbeit und das Nerven-lassen hat sich auf jeden Fall gelohnt. Seit der Kindheit habe ich keine Jeansjacke mehr getragen, aber mit dem Schnittmuster hast du mir das jetzt ganz schön schmackhaft gemacht... :)
    Liebe Grüße und einen ruhigen Umzug,
    Katharina

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  2. Vielen lieben Dank Katharina! Ich trage tatsächlich noch meine Jeansjacke von vor 15 Jahren :D Habe sie zwischenzeitlich einmal gebleicht und mag sie seitdem wieder sehr gerne.

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  3. Chapeau! Eine Lederjacke und dann noch ein Upcycling, ich bin schwer beeindruckt. Sieht superlässig aus! Liebe Grüße Manuela

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  4. Ein super Ding, liebe Julia! Dass das 2 verschiedene Leder sein sollen, sieht man auf den Fotos null und wie du in so einer stressigen Phase die Geduld für so ein kleinteiliges Projekt aufbringen kannst, ist mir ein Rätsel. Total gut.

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    1. Hey Katharina, ja, ich bin auch begeistert wie ähnlich die sich sind. Man sieht dann schon eher, wo das Leder abgenutzter ist, an so üblichen Reibungsstellen.
      Die Jacke habe ich schon vor zwei Wochen genäht, da war es noch etwas ruhiger.

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  5. Gratuliere! Ich nähe aus Secondhand-Lederjacken gerne Taschen. Mit ähnlich viel Aufwand wie du 😉, und mit der alten Bernina vom Sohn. Die macht keine Mätzchen, die näht einfach...
    Supertoll geworden, deine Jacke!
    Ach, und Motorradfahren ist nicht schlimm, das macht total Spass!!
    Herzlichst
    yase

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    1. Vielen Dank dir! Ja, ich würde sehr gerne auch noch einen Rucksack nähen aus einer alten Jacke, das steht grob auf der Liste :)
      Meine Maschine habe ich gerade zum Tüv gebracht, hihi, mal sehen ob sie mir die Anstrengung verzeiht.

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  6. Super genial, liebe Julia! Und ich weiß, wieviel Arbeit darin steckt... Ich habe mal aus einer alten Lederjacke eine Tasche genäht, das war schon nicht ohne...
    Toll gemacht und Du wirst sicher lange Freude dran haben!
    Herzlichst Bine

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